Gleiter MAPPA – noch in der Luft. Foto: Martina Wilde
Ja, das ist das Ergebnis des wohl ehrgeizigsten Tiefsee-Roboters, der im Rahmen der Helmholtz-Allianz ROBEX in den letzten fast 5 Jahren unter der Leitung des MARUM der Universität Bremen entwickelt und gebaut wurde: ein Tiefsee-Gleiter mit dem Namen eines Kugelfischs: „Mappa“. In ihm wurden Tiefsee- und Raumfahrt-Expertise auf 3,40 m Breite zu einem schnittigen Design und intelligenten System verschmolzen. Wie der Kugelfisch Mappa hat auch der Gleiter keinen Propeller, sondern bewegt sich leise und ohne jegliche Störung des aktuellen Zustands im Wasser rein durch Umpumpen von Luft in seinem Bauch. Letztendlich wie ein Taucher, der durch Ein- und Ausatmen die Luft in seinem Körper verschiebt und sich damit auf und nieder bewegt.
Am 29.8.2017 war es so weit, dass Mappa nach seinen Testkampagnen im Uni-See Bremen und im alpinen Walchensee zum ersten Mal zeigen konnte, wie er in seinem eigentlichen Bestimmungsort, dem salzigen Wasser des Ozeans funktioniert. Bewundernd zuschauen konnten ihm dabei nur die Fische, denn er zieht seine elegante Bahn sinusförmig komplett unter der Wasseroberfläche und es gibt leider keinen „God´s Eye View“, mit dem die Erfinder und Erbauer, aber auch die neugierigen Kollegen auf dem Schiff ihn optisch verfolgen könnten.
Beim ersten Flug verlangten die Erfinder, Erbauer und Programmierer noch keine weiträumige Sinuskurve, sie wollten in diesem Einsatz testen, dass er sich nach einem Abstieg auf etwa 100 m Wassertiefe wieder autonom auf den Weg zur Wasseroberfläche macht.
Erstes Aussetzen des Gleiters, die Schlauchboot-Crew passt auf. Foto: Martina Wilde
Das Wetter konnte nicht besser sein, die signifikante Wellenhöhe nicht ungefährlicher, es gab nur noch „Go“ für den wunderschön anzusehenden Gleiter, der mit dem Kran zu seinem ersten Unterwasserflug gehievt wurde. 230 kg wiegt MAPPA außerhalb des Wassers, da er sich mit Wasser füllt, wiegt er dann im Ozean über 500 kg.
Für kurze Zeit konnten wir ihn gelb und schemenhaft im dunkelgrünen arktischen Meer von Bord erahnen, dann aber wurde er von einem Schlauchboot fort gezogen, bis er seine geplante Flugbahn, etwa 500 m parallel vom Schiff erreicht hatte. Aber er ließ uns teilhaben an seinem Jungfernflug, denn er sendete Daten über seine aktuelle Tiefe und Geschwindigkeit über ein sogenanntes GAPS Sonar System an das Kontrolllabor auf POLARSTERN. Mit jedem Datenpunkt entspannten sich die Gesichter der Wissenschaftler an Bord und als er nach Erreichen des tiefsten Punktes bei 108 m selbständig die Luft in seinem Bauch so umpumpte, dass er wieder Richtung Wasseroberfläche flog, da war einfach nur noch Freude in der Luft! Der ROBEX Tiefsee-Gleiter hat sein Können erfolgreich demonstriert!
Nach erfolgreichem Test: Der Gleiter kommt wieder an Bord. Foto: Martina Wilde
Messen soll er in Zukunft dann „sehr diskret“ und weiträumig den Salzgehalt, die Dichte und den Sauerstoffgehalt in der oberen Wassersäule bis 200 m Tiefe und sein kleiner „Gleitwinkel“ erlaubt zum Beispiel Video-Beobachtungen von Partikelströmen. Gegenüber allen bisherigen kommerziellen Gleitern trumpft er mit einem sehr sensiblen Merkmal auf, das sowohl in der Tiefsee als auch der Raumfahrt-Exploration wesentlich ist: der Anteil seiner für die Wissenschaft „nutzbaren“ Masse ist 10 mal größer.
Aber bevor er wirklich wissenschaftliche Missionen, in Zukunft möglicherweise auch noch vernetzt mit anderen robotischen Tiefsee-Geräten, durchführen wird, werden seine Entwickler vom MARUM, AIRBUS, der Universität Würzburg und dem DLR ihn in den nächsten Tagen von POLARSTERN aus noch tiefer und weiter durch das arktische Meer fliegen lassen.
Es grüßt von Bord der Polarstern,
Martina Wilde
Koordinatorin der Helmholtz Allianz ROBEX
Veröffentlicht am: 31.08.2017
Link zur Pressmeldung: www.awi.de/tramper
Veröffentlicht am: 30.08.2017
Aufgetaucht: Da ist der Tramper. Foto: Martina Wilde
Die Ungeduld fand ihre Ruhe an einem strahlend schönen Sonntag, am 27.8.2017, als um 15.50 Uhr Dr. Frank Wenzhöfer auf der Brücke der Polarstern den Knopf zum sogenannten „Auslösen“ des Trampers betätigte. Wäre der Tramper ein lebendiges Wesen, so hätte er es vielleicht sogar als „Erlösung“ empfunden, dass er nach 60 Messungen nun von einem Abwurfgewicht erleichtert wieder zur Meeresoberfläche schweben durfte.
Erfolgreicher Kontakt: Frank Wenzhöfer (vorn) und Johannes Lemburg beobachten, wie der Tramper aufsteigt. Foto: Martina Wilde
Alle suchten sich den besten Platz, um ihn endlich wiedersehen zu können: Ein Hubschrauber startete unter dröhnendem Lärm, um möglichst nah an die Stelle heran zu kommen, wo der Tramper das erste Mal gelb durch die Wasseroberfläche schimmern würde, eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen versammelten sich zusammen mit mir auf der Brücke, um von diesem privilegierten Platz aus den besten und weitesten Überblick über die Meeresoberfläche zu haben. Die Crew des Schiffes bereitete sich auf dem Deck bereits auf die Entgegennahme des TRAMPERS vor und ein Schlauchboot wurde zu Wasser gelassen, um den TRAMPER bereits im Wasser „an die Leine“ zu nehmen und zum Schiff zu führen.
Frank Wenzhöfer verfolgte derweil auf einem Bildschirm auf der Brücke, wie hoch der Tramper mittlerweile gekommen war und die Spannung wuchs und wuchs bei allen. Entgegen der vorhergesagten 90 Minuten dauerte es dann fast zwei Stunden, bis der Nautiker der Polarstern als allererster die gelbe Boje 200 m vor dem Schiff auftauchen sah. Ich zoomte mit meinem Fotoapparat dann auf diese Stelle und ich meine wirklich, dass ich die Erste im Raum war, die „Da ist er“ rief!
Aufgetaucht: Da ist der Tramper. Foto: Martina Wilde
Und ja, da war er! Ein paar Seemöwen umkreisten sehr bald neugierig dieses fremde gelbe rechteckige „Wesen“, schaukelten mit ihm auf den Wellen, während das Schiff sich an den Tramper so herandriften ließ, dass er in komfortable Reichweite für den Kran auf dem Achterdeck kam. Dr. Johannes Lemburg, einer der Väter des Trampers, saß im Schlauchboot, nahm den Tramper an die Leine und dann wurde er unter dem Beifall aller Kollegen, die sich in der Zwischenzeit am Rande des Arbeitsdecks eingefunden hatten, auf das Schiff gehoben.
Der Kran hatte ihn noch nicht ganz auf dem dafür vorgesehen fahrbaren Untersatz gehoben, da standen Frank Wenzhöfer, Michael Hofbauer und dann später auch Johannes Lemburg schon um ihn herum und versuchten, auf den allerersten Blick herauszufinden, wie es ihm ergangen war dort unten. Hatte er tatsächlich gemessen? Jaaaaaaaaa, es sah alles direkt danach aus, denn man konnte erkennen, dass sich der Revolvermechanismus gedreht hatte. Was war mit seiner linken rechten Kette passiert? Wie oft hatte er gemessen?
Erste Inspektion: Nach dem Hieven wird der Tramper genau unter die Lupe genommen. Foto: Martina Wilde
Wie sich in der Zwischenzeit herausgestellt hat, hat er 24 Messungen wie geplant, einmal wöchentlich im Abstand von etwa 15 Metern durchgeführt, danach hat er sich ja nur auf der Stelle gedreht und immer wieder an derselben Stelle gemessen. Die große Überraschung ist, dass die Batterien offensichtlich viel haltbarer waren, als man das vorsichtig erwartet hatte, es sieht so aus, dass er wohl noch ein weiteres Jahr am Meeresgrund hätte arbeiten können. Und genau das wird er nach der Rehabilitation, die man ihm nun hier an Bord angedeihen lassen wird, auch tun: Er wird gereinigt, das Getriebe wird repariert, es werden neue Sensoren eingebaut und dann wird es im Rahmen dieser Expedition wieder zurück ins Wasser gehen, auf eine weitere einsame Fahrt unter das Eis.
Aber noch ist der Tramper an Bord und zeigt uns, dass das Undenkbare möglich ist: der Mensch kann auch in den extremsten Gebieten dieser Erde seine Neugier und seinen Erkenntnisdrang befriedigen… und das mithilfe eines leuchtend gelb glänzenden aber robusten Tiefsee-Roboters.
Martina Wilde
Veröffentlicht am: 30.08.2017
Erfolgreicher Kontakt: Frank Wenzhöfer (vorn) und Johannes Lemburg beobachten, wie der Tramper aufsteigt. Foto: Martina Wilde
Der fernsteuerbare Tiefseeroboter ROV Kiel6000 des GEOMAR hat am 25.8.2017 um genau 12.02 Uhr den ROBEX Crawler TRAMPER in 2435 m Tiefe auf dem Meeresboden im AWI HAUSGARTEN gefunden. TRAMPER war seit dem Sommer 2016 auf seiner einsamen Fahrt unter dem Eis auf Messkampagne und sollte wöchentlich eine Messung zum Sauerstoffgehalt im Tiefsee-Sediment machen. (Weitere Infos hier).
Der TRamper wir besser erkennbar. Foto: Die Reflektorstreifen des Trampers aus Sicht des ROV. Foto: Kiel 6000 ROV-Team GEOMAR
Fast atemlos verfolgten die Wissenschaftler an Bord der POLARSTERN auf einer Leinwand und einem HD-Fernseher, wie das ROV zuerst die Stelle suchte, an der der TRAMPER vor mehr als einem Jahr gelandet war und danach langsam den Spuren des Kettenfahrzeugs folgte. Das ROV „flog“ dabei in 60 bis 70 cm Höhe über dem Meeresboden mit einer Geschwindigkeit von einem Knoten (etwa 1800 m in der Stunde). Die Zuschauer konnten bei diesem Überflug über die Spuren erkennen, dass der Tramper auf seiner Fahrt niemals rücksichtslos über eine Kaltwasserkoralle gefahren, sondern vorsichtig an ihnen vorbei oder sogar zwischen zwei Korallen durchgefahren war. Fast eine halbe Stunde dauerte die langsame Spurenverfolgung, bis plötzlich am Ende des durch die starken Kameras beleuchteten Sichtfeldes im grünlich wirkenden Wasser ein eindeutig nicht „natürliches“ Muster zu erkennen war, nämlich vier gerade fluoreszierende horizontale Balken in etwa 50 cm Höhe.
„Da ist er!!!!“ erscholl es aus mehreren Mündern und die Spannung entlud sich in Freude, als das Bild des wie neu aussehenden TRAMPERS, der ganz offensichtlich keine äußeren Abnutzungserscheinungen aufweist, in der Annäherung immer besser und klarer wurde. Dann allerdings gab es doch nach der „Erleichterung“ auch eine Überraschung: Der TRAMPER steht quer zur Fahrtrichtung, denen das ROV gefolgt war! Und die
Tramper am Meeresgrund – mit eingegrabener Kette. Foto: Kiel 6000 ROV-Team GEOMAR
Die Erklärung ist schnell zur Hand: Die rechte Kette muss nach etwa 350 Metern Fahrt ausgefallen sein und so hat der TRAMPER seit etwas mehr als einem halben Jahr an jedem Montag, wenn er von seinem einwöchigen Schlaf erwachte, um wieder etwa 15 Meter weit zur nächsten Messposition zu fahren, nur mit der rechten Kette Fahrt aufgenommen. Und in diesem Fall passierte immer dasselbe: Der TRAMPER hat etwa 30 mal eine „Pirouette“ auf der Stelle gedreht. Und wäre seine linke Kette nicht ausgefallen, so wäre er wohl jetzt noch bereit, sein regelmäßiges Messprogramm autonom auszuführen.
Die Forscher sind von Stunde zu Stunde jetzt brennender daran interessiert, den Tramper auf Herz und Nieren zu checken, um ihre Fragen zu beantworten: Wie oft hat der Tramper Messungen durchgeführt, wie sehen die Daten aus, was können wir aus den Daten lernen, was ist genau mit der rechten Kette passiert. Doch noch ist es leider nicht so weit, da das Kommando zum Aufstieg des Trampers an die Wasseroberfläche und dann die Bergung auf Polarstern leider wegen des Wetters nicht vollzogen werden konnte. Die dafür notwendige Bedingung, dass ein Schlauchboot ausgesetzt werden kann, welches die bei der Bergung des Trampers dafür nötigen Experten auf die Wasseroberfläche bringt, konnte vom Meteorologen und der Crew nicht auf „Go“ gesetzt werden. Die Wellen waren einfach noch zu hoch und Sicherheit geht hier eindeutig vor „Ungeduld“.
ROBEX-Koordinatorin Martin Wilde
Veröffentlicht am: 30.08.2017
AUV Paul kommt aus dem Wasser
Eine Nacht, in der die Sonne um 24 Uhr im Norden steht, ein Schiff, dass bei strahlendem Sonnenschein einen wohldefinierten Kurs in parallelen Linien durch die Nacht abfährt und dabei nach der Grenzlinie zwischen dem „warmen“ Nordatlantik-Wasser und dem kalten arktischen Wasser sucht. Diese Nacht habe ich vom 26. auf den 27.8.17 an Bord der Polarstern erlebt.
Eines der Forschungs-Interessen des Teams rund um Dr. Thorben Wulff und Dr. Sandra Tippenhauer spielt sich an dieser Grenzlinie ab, gefunden wird diese aber nicht wie vermutet mit einem schlichten Thermometer, sondern mit einem Thermosalinographen, mit dem u.a. die Temperatur des Wassers und dessen Salzgehalt, bestimmt werden. Das weniger salzhaltige, kalte arktische Wasser trifft in dieser Region der Framstraße, unweit der arktischen Eiskante, auf das salzigere und wärmere Atlantikwasser.
An dieser Stelle wurde mir dann erst klar, dass Polarstern nicht nur die Crew und eine Vielzahl von Großgeräten für die Meeresforschung beherbergt, sondern dass sogar das gesamte Schiff selbst als Forschungs-Großgerät eingesetzt wird. Das Forschungsschiff Polarstern arbeitete die ganze Nacht über an diesem Experiment mit, in dem es einen rechteckigen Zickzack-Kurs (den man „Matrazen“ nennt) von 1 Seemeile mal 8 Seemeilen fuhr (während ein Teil der Wissenschaftler und der Crew in seinem „Bauch“ Nachtruhe hielt).
Kursplot der nächtlichen Matra(t)ze
Als dann nach sechs solcher Transekte die Front mit Termosalinograph und Strömungsmessern vermessen worden war, war es früh am Morgen, Zeit das autonome Unterwasser-Fahrzeug AUV PAUL ins Wasser zu bringen und mit seiner Vielzahl an Sensoren detaillierter die Strömungs- und Durchmischungsprozesse zwischen diesen hier aufeinander treffenden verschiedenen Wassern zu untersuchen. Dazu war geplant, PAUL senkrecht über die vom Schiff bestimmte „Durchmischungslinie“ fahren zu lassen. Leider wurde der Tauchgang durch ein Problem mit der Verbindung zwischen AUV und Kontrollstation verzögert. Letztlich reichte die Zeit nicht mehr aus um die Grenzlinie zu vermessen. Dennoch sehen die Daten, die wir in der Nacht sammeln konnten, auf den ersten Blick vielversprechend aus.
Viele Grüße, Martina Wilde – Koordinatorin der Helmholtz Allianz ROBEX
Veröffentlicht am: 29.08.2017
Polarstern vor Abfahrt in Tromsø. Foto: Martina Wilde
– Raumfahrer und Tiefseeforscher vereint auf Polarstern –
Blogautorin Martina Wilde bei der Sicherheitsübung. Foto: Martina Wilde
Guten Tag, ich melde mich heute zum ersten Mal, um von meiner Expedition mit dem Forschungsschiff Polarstern zu berichten, an dem ich als Koordinatorin der Helmholtz-Allianz ROBEX teilnehmen darf. Ich sage „darf“, da es für mich, die seit 1990 in der Raumfahrtforschung gearbeitet hat, nicht „normal“ ist, auf einem Forschungsschiff in der Arktis unterwegs zu sein.
Genauso wenig „normal“ ist die Helmholtz Allianz ROBEX, in der erstmalig Raumfahrt- und Tiefsee-Experten gemeinsam an robotischen Lösungen für die Erforschung extremer Umwelten arbeiten. Extreme Umwelten wie der Mond, andere Himmelskörper, aber eben auch die Tiefsee und die Polarregionen auf der Erde.
Und so kommt es, dass auf dieser Expedition PS108 der Polarstern unter den insgesamt 40 Wissenschaftlern auch 10 „Raumfahrer“ an Bord sind. Für uns ist das eine absolut neue Erfahrung und eine Chance, die wir wahrscheinlich nur einmal in unserem Leben haben werden und wir genießen sie sehr dankbar.
Polarstern vor Abfahrt in Tromsø. Foto: Martina Wilde
Wir sind am 22.8.17 in Tromsø gestartet und werden am 9.9.2017 wieder zurück in Tromsø sein. Seit Dienstag sind wir auf einer insgesamt 3-tägigen Anreise zum ersten Erkundungsziel, dem sogenannten „Hausgarten“ des AWI. In diesem Hausgarten führt das AWI bereits seit 1999 regelmäßige Untersuchungen, Experimente und Beprobungen durch.
Wir fahren tatsächlich ab Tromsø, das schon 1000 km nördlich von Oslo liegt noch mal mehr als 1000 km immer weiter nach Norden, Tag und Nacht, bei bisher sehr angenehmer ruhiger See, aber leider noch nicht unter strahlend blauem Himmel.
Vorbereiten der Geräte im Hangar. Foto: Martina Wilde
Die lange Anfahrt gibt uns nicht nur die Gelegenheit, alle Experimente, die wir von der Polarstern aus durchführen werden, vorzubereiten, sondern uns auch auf das Leben an Bord mit seinen Ritualen einzustellen. Wir leben in sehr gemütlichen Zweibett-Kammern und werden von dem sehr fürsorglichen Kombüsen-Team 4 mal täglich verwöhnt. Es gibt Frühstück, Mittagessen mit zwei Varianten, täglich frisch gebackenen Kuchen, Abendessen und dann noch die ganze Nacht über Verpflegung im Kühlschrank. Derzeit leben und arbeiten wir noch in einem normalen Tag-Nacht-Rhythmus, aber sobald die eigentlichen Forschungstätigkeiten beginnen werden, werden die Teams ihre Aktivitäten auf alle 24 Stunden verteilen. Unter anderem darum gibt es Regeln, wie zum Beispiel „Wenn die Zimmertür geschlossen ist, geht man nicht rein – üblicherweise sind alle Zimmertüren immer offen“.
Auch an Bord hat mittlerweile das „papierlose Arbeiten“ Einzug gehalten. Wir haben alle eine eigene Polarstern-E-Mail bekommen, es gibt ein Intranet an Bord, auf dem von der täglichen Speisekarte bis zu allen expeditionsrelevanten Informationen auch die aktuelle Tagesplanung mit allen geteilt wird. Auf einem Server kann man Daten ablegen, aber dort liegt für alle zugänglich auch eine große Auswahl an Musik und Videos, falls in den An- und Abfahrtszeiten der Expedition mal freie Zeit aufkommt. Aber wir genießen es einfach, am Abend mit den Kollegen der unterschiedlichsten Partner-Institute zusammen zu sitzen und „Seemannsgarn zu spinnen“, bzw. Erlebnisse aus der Raumfahrt-Welt zu teilen. Für mich das außergewöhnlichste Erlebnis bisher: hier oben im Norden gibt es keinen Handyempfang mehr und man sieht – ganz im Gegensatz zu der uns allen zuhause schon als normal empfundenen Haltung – NIEMANDEN am Tisch oder während des Gesprächs auf sein Handy schauen! Und die Erde dreht sich tatsächlich weiter!
Vorbereitung des Gliders im Hangar. Foto: Martina Wilde
Jeder Tag beginnt nach dem Frühstück mit einem Meeting aller Wissenschaftler, in dem ein Kollege des Deutschen Wetterdienstes, der hier insgesamt sieben Wochen an Bord ist, die Vorhersage bzgl. Temperaturen, Wind, Niederschlag macht und insbesondere die „signifikante Wellenhöhe“ angibt. Diese ist besonders wichtig, weil die hochkomplexen Forschungsgeräte nur bei relativ ruhiger See über Bord ins Wasser gebracht und wieder herausgeholt werden können. Danach werden die bisherigen Fortschritte und die Planungen für den Tag vom wissenschaftlichen Fahrtleiter, Dr. Frank Wenzhöfer, vorgestellt. Zum Einstieg wurden darüber hinaus heute alle für diese PS108–Ausfahrt geplanten Aktivitäten von den jeweiligen Teamleitern präsentiert.
Wir werden auf dieser Reise in erster Linie Geräte und robotische Systeme in der Tiefsee testen, die im Laufe der letzten 4,5 Jahr im Rahmen der Helmholtz-Allianz ROBEX gemeinsam zwischen den unterschiedlichen Wissenschaftlergruppen der Raumfahrt- und Tiefseeforschung entwickelt wurden. Ich zähle sie hier erst mal nur auf und werde in den kommenden Blogs detaillierter darauf eingehen, um was es geht, wer daran mitgearbeitet hat und insbesondere, welchen Fortschritt hier die Zusammenarbeit zwischen Raumfahrt und Tiefsee gebracht hat.
Zunächst steht der große Tag an, an dem wir alle gespannt darauf warten, dass der im Rahmen von ROBEX entwickelte Tiefsee-Crawler TRAMPER nach einer einjährigen Fahrt unter dem Eis wieder an Bord geholt wird. Ich werde über das Erlebnis nächste Woche berichten.
In den weiteren zwei Wochen werden die ROBEX-Geräte „MANSIO-VIATOR“ vom GEOMAR, der Tiefsee-Gleiter „MAPPA“ vom MARUM (Universität Bremen), das autonome Unterwasserfahrzeug AUV des AWI, sowie die autonomen Multikopter der Universität Würzburg getestet. Darüber hinaus werden wissenschaftliche Experimente im AWI Hausgarten und auch in einer Gas-Hydrats-Stabilitäts-Zone (GHSZ) durch das GEOMAR durchgeführt werden.
Ich melde mich mit den neuesten Nachrichten nach der sicherlich erfolgreichen Bergung des TRAMPERS, drückt uns und ihm die Daumen! Bis bald!
Martina Wilde
Veröffentlicht am: 25.08.2017
am 22.08.2017 startet die ROBEX-Demonstrationsmission von Tromsö in Richtung Spitzbergen.
Regelmäßige Berichte folgen in den nächsten 3 Wochen bis zur Rückkehr am 9.9.2017.
Infos zu lesen unter: www.awi.de/unterwasserroboter-soll-nach-einem-jahr-in-der-arktischen-tiefsee-auftauchen.html
Veröffentlicht am: 18.08.2017